Meine Freiheit – Mein Burkini / Muslimischer Badeanzug

Ich bin deutsche Muslima und trage seit zwei Jahren Kopftuch und auch Burkini.

Ich habe mich schon von klein auf unwohl gefühlt mich vor anderen Mädchen ausziehen zu müssen. Im Schwimmunterricht oder auch nach dem Handball-Spiel, wenn wir in der Kabine waren. Jeder Mensch kommt mit einer natürlichen Scham zur Welt und diese wird einem Schritt für Schritt wegerzogen mit den Worten:

Wir haben alle das GLEICHE da unten!

Glaubst du ich habe noch nie ein nacktes Mädchen gesehen?

Solche Sätze hören kleine Mädchen sehr oft und lassen sie vertrauen, dass es völlig normal ist sich voreinander umzuziehen.

Bei mir hat das nicht geholfen. Ich habe mich nach dem Handball-Training immer vor dem Duschen gedrückt und bin nach Hause gegangen.

In der Schule im Schwimm-Unterricht habe ich mich auch oft gedrückt und wollte nicht mit den Jungs zusammen schwimmen. Ich war nicht die Einzige.

Mit den Jahren merkte ich auch im Freibad wie unwohl ich mich fühlte, wenn ich von Jungs angeschaut wurde.

Später, als ich diese Scham etwas in den Griff bekommen hatte wurden andere Probleme aktueller. Meine Figur!!

Im Bikini oder Badeanzug sah man jedes unerwünschte Pölsterchen. Es waren wirklich nur leichte Pölsterchen aber durch die Models im TV will man eben auch so perfekt aussehen und da fing es an. Ständig sprachen die Erwachsenen von Diät und jetzt komme ja der Sommer, wo man wieder eine gute Figur machen müsse am Strand im Urlaub.

Das prägte mich sehr. Ich machte diesen Wahn mit und startete einige Diäten, um auch wie meine Freundinnen und eben viele Frauen eine gute Figur im Badeanzug machen zu können.

Ich fühlte mich aber trotz der guten Figur nie wohl so halbnackt am Strand und angeglotzt von Jungs oder Männern.

Mein erster Urlaub in Ägypten verschärfte das ganze noch. Besonders hier in Ägypten hatte ich das noch grössere Gefühl angeglotzt zu werden und zog auch oft immer nach dem Baden ein T-Shirt an, um wenigstens ein wenig bedeckt zu sein.

Mit den Jahren wurde es immer mehr. Die Ägypter genieren sich überhaupt nicht in ganzen Jungengruppen oder Männergruppen auf eine Frau im Bikini zu starren und sie zu bewundern.

Das merken viele auch und manche geniessen diese Bewunderung und manche werden regelrecht wütend. Man muss auch dazu sagen, dass dies nicht erlaubt ist im Islam und deshalb gibt es schon Strände, wo Familien und Frauen auf der einen Seite baden und eben Männergruppen auf der anderen.

Ich zog mir dann mit der Zeit eine schwarze Leggings an, die bis zum Knie ging und ein T-Shirt. Ich fühlte mich gleich deutlich wohler und konnte meinen Strandaufenthalt geniessen.

Jetzt und heutzutage gehe ich mit einem Burkini baden. Das ist ein vierteiliger Badeanzug. Es gibt eine lange dünne Leggings, einen langarm Body, ein Kleidchen bis zum Knie und eine passende Kopfbedeckung dazu. Im Sommer ist das wirklich eine WOHLTAT. Bei 40 Grad kommt man aus dem Wasser und ist noch lange nass und erfrischt. Nur im Winter kann man das nicht so machen, denn sonst würde man krank werden. Da muss man sich sofort umziehen.

Ich habe nur positive Erfahrungen damit gemacht und werde immer als Ägypterin eingestuft, bis sie meine Unterhaltungen mit meinen Kindern hören und dann mit grossen Augen und voller Bewunderung auf uns starren. Diese Bewunderung gilt aber nicht meinem Körper, sondern dass ich als Ausländerin zu einer Muslima wurde und auch noch einen Burkini trage.

Wir werden jetzt nicht mehr von Männergruppen angestarrt oder von den Strandverkäufern.

Überall bekomme ich positive Resonanzen nur von meinem Vater leider nicht. Ihm tut es sehr weh mich in einem Burkini zu sehen und er sagte mir mal am Telefon, dass er so geschockt war, als er die Videoaufnahmen vom Strand sah. Er sagte mir nur diesen einen Satz, den ich bis heute nicht vergessen habe und darüber stets schmunzeln muss.

 

Ich habe dich nicht in ein teures Internat geschickt, damit du jetzt angezogen ins Wasser gehst!

Lasst Euch diesen Satz mal durch den Kopf gehen. Was bedeutet dies? Ist es meinem Vater lieber mich im Bikini zur Schau zu stellen? Denn dies empfinde ich dabei jedes Mal. Ich kenne viele Mädchen und Frauen, die das auch so empfinden und deshalb auch in ein Freibad ganz weit weg fahren, damit man keine bekannten Menschen trifft, die einen in diesem Outfit sehen könnten.

Also bevorzugt mein Vater lieber eine Tochter, die ihren Körper mit stolz zeigt, als eine Tochter, die ihren Körper mit stolz verhüllt?

Wenn du diese Aussage einem muslimischen Vater erzählst, dann lachen sie darüber, weil es absolut ein Unding wäre und total kontrovers.

Sogar meinem Mann musste ich diesen Satz ein zweites Mal erläutern, denn er dachte er hätte es nicht auf Anhieb verstanden.

Ich muss Euch aber auch erzählen was ich dachte, als ich das erste Mal Frauen in Burkinis ins Wasser gehen sah in Ägypten. Es sah so aus, als ob sie sich gleich ertränken wöllte, Selbstmörder…Denn wer geht schon angezogen ins Wasser mit der Absicht zu schwimmen. Ich war früher ein totaler Neuling und Nullchecker was den Islam anging und wusste nicht, dass es auch einen Burkini gab. So war ich völlig überrascht, als ich eine Frau ganz alleine ins Wasser gehen sah…Schritt für Schritt  und ganz langsam…In Deutschland wären Rettungsschwimmer schon bereit gewesen. 😉

Das Gefühl ist auch so wunderbar einen Burkini zu tragen. Ihn gibt es auch in allen Varianten und Farben. Man trägt ein Minikleid mit Leggins darunter. Sehr bequem und es schützt auch vor der Sonne.

Alles in allem bin ich mehr als glücklich einen Burkini tragen zu können und fühle mich FREIER damit und nicht auf meinen Körper reduziert.

Jeder sollte das tragen, womit er sich wohl fühlt. Toleranz auf allen Ebenen. Ich akzeptiere auch Frauen, die oben ohne am Strand liegen möchten oder sogar zu FKK-Stränden gehen. Jeder sollte das tun können womit er die meiste Lebensqualität für sich selbst herausziehen kann.

 

Und meine ist das Tragen eines Kopftuches und eines Burkinis. ALHAMDOULILAH!